Die Abwicklung eines Ehevertrags führt bei einer Scheidung oftmals zu unangenehmen Überraschungen, insbesondere bei nicht regelmäßig durchgeführtem Zugewinnausgleich. Ein Zugewinnausgleich ist jedoch erforderlich, wenn sich beispielsweise herausstellt, dass auch der Wert von Gesellschaftsanteilen im Unternehmen einbezogen werden muss. Dies wird von Unternehmern bei dem Abschluss eines Ehevertrags oftmals nicht bedacht. Kann dann auf dem Grundsatz von „Redelijkheid en Billigheid“ (vergleichbar mit dem deutschen Grundsatz von „Treu und Glauben“) von den Bestimmungen des Ehevertrages abgewichen werden?
Auslegung des Ehevertrags
Zunächst wird der Text des Ehevertrages analysiert. Ist der Text eindeutig oder kann er unterschiedlich interpretiert werden? Dann werden die einzelnen Bedingungen bewertet, und zwar anhand aller Umstände des Falles. In den Niederlanden wird hierbei das sogenannte „Haviltex-Kriterium“ angewendet. Demnach ist bei strittigen Verträgen nicht nur die wörtliche Interpretation des Vertragstextes relevant, sondern auch die Absicht der Vertragspartner. Was haben die Parteien eigentlich gemeint?
Die Vertragsparteien können nämlich etwas anderes gemeint haben, als aus dem Text hervorgeht. Damit kann der Ehevertrag jedoch nicht außer Acht gelassen werden. Eine solche festgestellte „gemeinschaftliche Absicht“ ist selbst auch ein „Bestandteil des Ehevertrags“. Und ein Ehevertrag kann nur durch eine notarielle Urkunde Rechtsgültigkeit erhalten.
Besondere Umstände
Nur unter besonderen Umständen kann eine Vereinbarung des Ehevertrags außer Acht gelassen werden. Unter den gegebenen Umständen muss die Anwendung der Vereinbarung nach den Maßstäben des Grundsatzes von „Treu und Glauben“ inakzeptabel sein. Dies gilt übrigens nur für schuldrechtliche Vereinbarungen. Dabei kann es sich beispielsweise um einen periodischen oder finalen Zugewinnausgleich handeln. Von güterrechtlichen Vereinbarungen kann aufgrund von „Treu und Glauben“ nicht abgewichen werden, auch nicht in Bezug auf den Schutz von Dritten.
Bei der oben genannten Beurteilung kann das „gegenseitige übereinstimmende Verhalten” eine Rolle spielen. Auch wenn das Verhalten während der Ehe vom Ehevertrag abwich. Das hat das Oberste Gericht der Niederlande bereits 2004 festgestellt. Das Gericht in Den Bosch hat Mitte 2013 ein Urteil gefällt, das daran offensichtlich anknüpft. Die betreffenden Partner waren mit Ehevertrag verheiratet. Eine Gütergemeinschaft war ausgeschlossen, dafür war ein periodischer Zugewinnausgleich vereinbart worden. Im Laufe der Ehe erwarb der Mann das eheliche Haus auf seinen Namen. Aus den Erklärungen der Partner schlussfolgerte das Gericht, dass das Haus nur deshalb auf den Namen des Mannes eingetragen wurde, um Regressansprüche von Schuldnern zu vermeiden. Zudem erachtete es das Gericht als wichtig, dass der Kredit auf beide Ehepartner eingetragen war. Mit diesem Darlehen war eine Police verknüpft, deren Prämien aus angespartem Einkommen bezahlt wurde. Unter diesen Umständen hatte die Frau nach Ansicht des Gerichts doch ein Anrecht auf die Hälfte des Mehrwertes des Hauses.
Abweichung bleibt Ausnahme
Die Abweichung vom Ehevertrag aufgrund von „Treu und Glauben“ bleibt jedoch eine Ausnahme. Das Oberste Gericht hat am 27. September 2013 betont, dass die hier gemeinten besonderen Umstände nicht leichtfertig als solche festgestellt werden. In diesem Fall hielt der Mann die Anteile an einem Transportunternehmen. Seine Frau hatte in dem Unternehmen mitgearbeitet. Sie hatte eine Transportgenehmigung erhalten, was von großer Bedeutung für das Unternehmen war. Die Firma war während der Ehe stark gewachsen, wozu die Frau einen wesentlichen Beitrag geleistet hatte. Das Gericht urteilte schließlich, dass der Wert der Anteile und der nicht ausbezahlte Unternehmensgewinn nicht als Zugewinn verrechnet werden müssen. Das Gericht erachtete es jedoch nach den Maßstäben von „Treu und Glauben“ als inakzeptabel, dass diese Regel aus dem Ehevertrag gültig bleiben sollte und befand, dass der nicht ausgezahlte Unternehmensgewinn doch im Rahmen eines Zugewinnausgleichs verrechnet werden musste. Das Oberste Gericht widersprach der Ansicht des Gerichts. Die genannten Umstände waren nicht ausreichend, um eine Abweichung aufgrund von „Treu und Glauben“ zu rechtfertigen.
Zwischenzeitliche Änderungen des Ehevertrags
Die Möglichkeit, dass aufgrund von „Treu und Glauben“ im Nachhinein vom Ehevertrag abgewichen wird, ist klein. Stimmt der Ehevertrag nicht mehr mit Ihrer persönlichen Situation überein? Dann ist es zu empfehlen, den Ehevertrag zwischenzeitlich den tatsächlichen Umständen Ihrer Ehe entsprechend anzupassen.