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Es kann niemandem entgangen sein: Durch die starke Zunahme des Handels mit Bitcoin und anderen sog. Kryptowährungen (digitale “Währungen”) in den vergangenen Jahren steht die dabei verwendete Blockchain-Technologie im Mittelpunkt des Interesses. In diesem Artikel wird das “störende” Potenzial der Blockchain-Technologie für einige wichtige Teilgebiete der niederländischen Immobilienpraxis genauer betrachtet. Sind Veränderungen noch Zukunftsmusik oder steht eine neue Revolution vor der Tür?

BIM und Blockchain
Der Austausch von Informationen ist für den Erfolg eines Bauprojekts von wesentlicher Bedeutung. In den vergangenen Jahren haben sich die Informationsprozesse im Bau (deren Digitalisierung) erheblich geändert. Insbesondere Dokumentmanagementsysteme und sog. Bauinformationsmodelle (BIM) sind inzwischen Gang und Gäbe. Diese Systeme verbessern das Niveau des Wissensaustausches über das Bauprojekt, wobei Informationen von den verschiedenen Beteiligten hinzugefügt, aktualisiert und geändert werden können.

Auch mit Hilfe von Blockchain-Technologie können Informationen gespeichert und verbreitet werden. Zur Zeit wird jedoch noch kein auf der Blockchain-Technologie beruhendes Informationsmanagementsystem verwendet. Im Gegenteil: die Tendenz ist gerade, dass die derzeitigen BIM-Prozesse immer häufiger vorgeschrieben werden. Es ist daher (noch) nicht klar, ob die BIM-Vorgehensweise und/oder die den BIM zugrunde gelegten Systeme mittelfristig durch auf Blockchain beruhende Systeme beeinflusst oder ersetzt werden. Dies wird von der Antwort auf die Frage abhängen, welchen Mehrwert die Blockchain-Technologie bieten kann. Ist dieser Mehrwert eher begrenzt, dann wird die Technologie voraussichtlich keinen oder nur wenig Einfluss auf die BIM-Prozesse ausüben.

Werkverträge und Immobiliengeschäfte: Smart Contracts
Bei jedem Bauprojekt werden mehrere Verträge geschlossen. Im herkömmlichen Baumodell ist dies beispielsweise das Auftragsverhältnis mit dem Architekten und der Werkvertrag mit dem Bauunternehmer. Bei Neubauprojekten werden häufig Kauf-Werkverträge geschlossen. Für jede Art Vertrag ist es allgemein üblich, dass die Parteien schriftlich festlegen, welche Leistungen unter welchen Bedingungen erbracht werden. Auch ist es dabei üblich, einen vielgebrauchten Satz von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wie die UAV 2012 oder die UAV-GC, zu vereinbaren. Für Themen, zu denen die Parteien nichts regeln, wird auf das Gesetz zurückgegriffen.

Blockchain-Technologie kann diese gängige Vertragspraxis möglicherweise verändern, indem die getroffenen Vereinbarungen damit (auch) in Programmiercodes festgelegt werden können. So können die Verträge teils sich selbst erfüllen, eine Eigenschaft, die sie “smart” macht. In einem “smarten” Werkvertrag wird beispielsweise programmiert, dass eine X Anzahl von Tagen nach dem vereinbarten (Teil-) Übergabetermin der vereinbarte (Raten-)Betrag automatisch überwiesen wird.

Die wichtigste Randbemerkung, die zur Verwendung von Smart Contracts gemacht werden muss, hängt mit der Tatsache zusammen, dass viele vertragliche Vereinbarungen (deren Erfüllung) nicht binär (“schwarz-weiß”) sind, während ein Programmiercode das wohl ist. So hängt die Frage, was die Parteien berechtigterweise voneinander erwarten dürfen, häufig von allerlei Umständen ab, die zuvor nicht oder kaum alle zu programmieren sind. Daher ist zu erwarten, dass der Mensch bei der Erstellung und Erfüllung von Smart Contracts in weitaus den meisten Fällen weiterhin notwendig sein wird, auch wenn Smart Contracts bei Bauprojekten oder in der allgemeinen Vertragspraxis der neue Standard werden sollten.

Eine andere Randbemerkung ist die Unlöschbarkeit eines in der Blockchain programmierten Smart Contract: Wenn die Parteien sich einig sind, dass der “smart” programmierte Vertrag in der Praxis in einem bestimmten Punkt nicht ordnungsgemäß erfüllt wird, kann der Code grundsätzlich nicht im Nachhinein angepasst werden. Während diese Eigenschaft der Blockchain bei Informations(verbreitungs)systemen ein Vorteil sein könnte, weil dadurch heimliche betrügerische Anpassungen verhindert werden, ist dies für die Vertragspraxis eher ein Nachteil. Die Erstellung und Verwaltung von Verträgen bleibt also immer (auch) das Werk von Menschen.

Immobiliengeschäfte: notarielle Beurkundung
Eine dritte erneuernde Anwendung der Blockchain-Technologie für die Immobilienpraxis ist die Übertragung von Immobilien. Da Blockchain von einem “Peer-to-Peer”-Netzwerk ausgeht, in dem alle Glieder des Netzwerks (die “Nodes”) ein Geschäft validieren und speichern, ist eine zuverlässige dritte Partei nicht mehr notwendig, um die Richtigkeit eines Geschäfts zu gewährleisten.

Die zuverlässige dritte Partei bei Immobiliengeschäften ist der Notar: Das Gesetz bestimmt, dass die Übertragung von Immobilien ausschließlich mittels notarieller Beurkundung erfolgen kann. Der Gesetzgeber hat den Notar “zum Schutz der Öffentlichkeit” sowie zur Gewährleistung der Rechtssicherheit zwischengeschaltet:

(i) um die Herkunft der Immobilie zu gewährleisten, (ii) um juristische Fehler in den zwischen den Parteien geltenden Vereinbarungen zu verhindern und (iii) aufgrund von Beweisvorteilen bzw. zur Vermeidung eines Verlusts von Beweisen. Diese Elemente können über eine auf der Blockchain-Technologie beruhende Registrierung ebenfalls gewährleistet werden, wobei dies den weiteren Vorteil hat, dass die Kosten des Geschäfts dadurch gesenkt werden können und dass das Geschäft schneller durchgeführt werden kann. Allerdings ist es noch fraglich, ob die Gewährleistungen, die die Einbeziehung des Menschen ferner noch bietet, z.B. eine Einschätzung seitens des Notars bezüglich des geistigen Zustands einer Vertragspartei oder bezüglich Willensmängel, durch einen technologischen Prozess ersetzt werden können. Voraussichtlich wird der Gesetzgeber daher zurückhaltend sein, wenn es darum geht, die Anforderung der Einbeziehung einer menschlichen dritten Partei bei Immobiliengeschäften aufzugeben, vor allem auch wegen der häufig großen Interessen, die hierbei eine Rolle spielen. Ob es daher bei der Übertragung von Immobilien in Zukunft der Notar selbst sein wird, der “übergangen” wird, ist eine Frage, die an erster Stelle vom Gesetzgeber zu beantworten ist: Solange im Gesetz steht, dass eine notarielle Beurkundung erforderlich ist, wird sich die derzeitige Praxis noch nicht wesentlich ändern.

Schlussfolgerung
In diesem Artikel wurde auf das “störende” Potenzial der Blockchain-Technologie für einige Teilgebiete der niederländischen Immobilienpraxis eingegangen. Auch auf anderen Teilgebieten stehen möglicherweise Änderungen bevor, wie auf dem Gebiet der Registrierung von Immobilien in den öffentlichen Registern oder der Datenschutz­gesetzgebung. Diese wurden hier nicht berücksichtigt. Die allgemeine Schlussfolgerung lautet, dass große Veränderungen durch die Blockchain-Technologie zur Zeit noch Zukunftsmusik sind. Das eventuelle Ausbleiben einer “Blockchain-Revolution” in der Zukunft wird jedoch eher mit rechtlichen Beschränkungen oder mit der starken Position von bereits entstandenen Standardarbeitsprozessen als mit dem Potenzial der Blockchain-Technologie selbst zusammenhängen. Allerdings gilt auch für dieses Potenzial, dass es nicht unbegrenzt ist, was sich vor allem auf dem Gebiet der “Smart Contracts” zeigt. Dort führt die “binäre” Art der Programmiercodes zu einer eingeschränkten Fähigkeit, die vom Menschen bestimmte vertragliche Abstimmung und Durchführung zu übernehmen. Menschliche Maßarbeit bleibt (zunächst noch) erforderlich. Fortsetzung folgt zweifelsohne.

Weitere Informationen
Haben Sie Fragen zu diesem Thema? Wünschen Sie weitere Informationen? Setzen Sie sich dann mit einem der Anwälte/-innen vom Team Immobilienrecht. Sie sind Ihnen gerne behilflich.