Skip to main content

Gemäß Artikel 2:403 des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs (Burgerlijk Wetboek / BW) können einem Konzern angehörige juristische Personen unter bestimmten Voraussetzungen von der Pflicht zur Aufstellung eines Jahresabschlusses befreit sein. Das bedeutet, dass die betreffende juristische Person nicht verpflichtet ist, gemäß Titel 9 Buch 2 BW einen Jahresabschluss zu erstellen, offenzulegen und prüfen zu lassen. Eine der Voraussetzungen für die Befreiung ist, dass die Finanzdaten der betreffenden juristischen Person im Jahresabschluss einer Muttergesellschaft konsolidiert werden, der entsprechend den geltenden Verordnungen und Richtlinien der Europäischen Union (EU) zu erstellen ist.[1]

Zum 1. Januar 2021 endete die Übergangsfrist für den Brexit. Seitdem ist das Vereinigte Königreich nicht mehr an die Verordnungen und Richtlinien der EU gebunden. Britische Muttergesellschaften fallen somit nicht mehr in den Geltungsbereich der EU-Verordnungen und -Richtlinien, die eine Befreiung von der Pflicht zur Aufstellung eines Jahresabschlusses ermöglichen. Die Voraussetzung gemäß Artikel 2:403 BW besteht jedoch weiterhin. Da die EU-Gesetzgebung nicht mehr unmittelbar für britische Muttergesellschaften gilt, erfüllen die konsolidierten Jahresabschlüsse solcher Muttergesellschaften die Voraussetzungen gemäß Artikel 2:403 BW nicht mehr. Dadurch können niederländische Konzern­gesellschaften britischer Mütter im Grunde nicht mehr von der Befreiung Gebrauch machen. Daraus folgt, dass jede niederländische Konzerngesellschaft gemäß Titel 9 Buch 2 BW einen eigenen Jahresabschluss aufstellen muss, diesen Jahresabschluss fristgerecht offenzulegen hat und nicht mehr von der Prüfungspflicht befreit ist.

Laut Brexit-Abkommen werden das Vereinigte Königreich und die EU die Einzelheiten der Anwendbarkeit der EU-Verordnungen und -Richtlinien auf Jahresabschlüsse von juristischen Personen mit Sitz im Vereinigten Königreich noch aushandeln. Es könnte also sein, dass niederländische Konzerngesellschaften ihre Zahlen künftig (doch) im Jahresabschluss ihrer britischen Mütter konsolidieren und somit von der Jahresabschlusspflicht befreit sein können. Ob die Verhandlungen zwischen Vereinigtem Königreich und EU (zeitnah) zu einem Ergebnis führen werden, ist noch offen.

Niederländische juristische Personen mit britischer Muttergesellschaft, denen dies nicht bekannt ist und die unberechtigt von der Befreiung von der Jahresabschluss­pflicht Gebrauch machen, verletzen damit möglicherweise ihre Pflicht zur Offenlegung des Jahresabschlusses. Dies ist nicht nur ein Wirtschaftsdelikt, sondern hat im Insolvenzfall die gesetzliche Vermutung der unsorgfältigen Geschäftsführung zur Folge, wodurch die Geschäftsführer der juristischen Person ein erhöhtes Haftungsrisiko tragen.

In diesem Blogbeitrag erklären wir, wie Unternehmen – trotz Brexit und fehlender konkreter Regelungen – auch in Zukunft die Befreiung von der Jahresabschluss­pflicht nutzen können.

Wie können die Voraussetzungen für die Befreiung von der Jahresabschlusspflicht erfüllt werden, solange das Brexit-Abkommen diesbezüglich keine konkrete Regelung enthält?

Wichtig ist, wie erwähnt, dass niederländische juristische Personen mit britischer Konzernmutter wissen, dass sie seit dem 1. Januar 2021 die Voraussetzungen aus Artikel 2:403 BW möglicherweise nicht mehr erfüllen. Niederländische Konzerngesellschaften, die weiterhin von der Jahresabschlusspflicht befreit sein möchten, haben vier Möglichkeiten:

  • Die Finanzdaten der niederländischen juristischen Person, die von der Jahresabschlusspflicht befreit sein möchte, müssen im Jahresabschluss einer anderen juristischen Person desselben Konzerns konsolidiert werden. Diese andere Konzerngesellschaft muss ihren Sitz in der EU haben.
  • Falls die konsolidierende Muttergesellschaft mit Sitz im Vereinigten Königreich nach dem Brexit im Sinne des niederländischen Gesetzes über formal ausländische Gesellschaften (Wet op de formeel buitenlandse vennootschappen) als formal ausländische Gesellschaft gilt, bleiben die niederländischen Vorschriften für Jahresabschlüsse auf die konsolidierende (Mutter-)Gesellschaft anwendbar. Eine formal ausländische Gesellschaft liegt dann vor, wenn die britische Konzernmutter ihre Tätigkeiten (nahezu) ausschließlich in den Niederlanden ausführt und keine tatsächliche Verbindung zum Vereinigten Königreich besteht. Dann können niederländische juristische Personen die Befreiung von der Jahresabschlusspflicht vollumfänglich nutzen.
  • Die konsolidierende Muttergesellschaft kann eine Tochtergesellschaft nach dem Recht eines EU-Mitgliedstaats gründen. Dann können die Finanzdaten der Konzerngesellschaften im Jahresabschluss dieser europäischen Tochtergesellschaft konsolidiert werden.
  • Die niederländische juristische Person kann abgespalten werden, wodurch ihr Vermögen in eine neu gegründete übernehmende juristische Person übergeht. Diese übernehmende juristische Person kann dann die Befreiung von der Jahresabschlusspflicht nutzen, sofern ihre Finanzdaten im Jahresabschluss der ursprünglichen juristischen Person konsolidiert werden. Die ursprüngliche juristische Person wird dann als Muttergesellschaft im Sinne einer Konzernstruktur betrachtet.

Sie haben Fragen zu diesem Thema? Oder benötigen Sie Unterstützung bei der Umstrukturierung Ihres Unternehmens, um die Befreiung von der Jahresabschlusspflicht weiterhin nutzen zu können? Dann wenden Sie sich an unsere Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte aus dem Team Fusionen und Übernahmen.

[1] Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 (IFRS-Verordnung), Richtlinie 2013/34/EU über den Jahresabschluss, Richtlinie 86/635/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Banken und anderen Finanzinstituten sowie Richtlinie 91/674/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Versicherungsunternehmen

März 2021