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Durch die Corona-Krise werden Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Um die Insolvenz abzuwenden, können Schuldner versuchen, einen Vergleich mit ihren Gläubigern zu schließen. Mit einem Gläubigervergleich wird in der Regel ein Teil der Schuld erlassen. Schuldner und Gläubiger vereinbaren dann, wann und wie die Restschuld beglichen wird.

In diesem Beitrag geht es um den Gläubigervergleich. Wir erläutern, wie so ein Vergleich in der aktuellen Situation funktioniert, und erklären, wo nachgebessert werden muss. Dabei plädieren wir für das schnellere Inkrafttreten des niederländischen Gesetzes über die gerichtliche Billigung von Gläubigervergleichen (Wet Homologatie Onderhands Akkoord, WHOA).

Die aktuelle rechtliche Situation
Der Gläubigervergleich ist im niederländischen Recht bislang nicht gesetzlich geregelt. Für die außergerichtliche Einigung zwischen Gläubigern und Schuldnern gelten die Regelungen aus dem Schuldrecht. Ein Gläubigervergleich ist im Grunde ein Vertrag, der von mehreren Parteien – d. h. vom Schuldner und seinen Gläubigern – geschlossen wird. Häufig stimmen Gläubiger einem Vergleich nur zu, wenn sich alle Gläubiger gleichen Ranges zu gleichen Bedingungen mit dem Vergleich einverstanden erklären.

Für Gläubigervergleiche gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit uneingeschränkt. Es steht den Parteien frei, zu vereinbaren, was sie wollen und mit wem sie das wollen. Somit kann ein Gläubiger im Prinzip nicht gegen seinen Willen gezwungen werden, einem Gläubigervergleich zuzustimmen. In der Regel ist es so, dass der Vergleich platzt, wenn nur ein einziger Gläubiger dagegen ist.

Aus der Rechtsprechung geht jedoch hervor, dass Gläubiger unter bestimmten besonderen Umständen doch gegen ihren Willen an einen Vergleich gebunden werden können. Das geht dann, wenn der Gläubiger, der sich gegen den Vergleich ausspricht, die Annahme des Vergleichsangebots wider alle Vernunft verweigert. In diesem Fall nämlich missbraucht der Gläubiger seine Befugnis (Art. 3:13 niederländisches Bürgerliches Gesetzbuch (Burgerlijk Wetboek, BW)). Dies geht unter anderem aus zwei Urteilen des obersten niederländischen Gerichtshofs (Hoge Raad) hervor (HR Groenemeijer/Payroll Services und HR Verhuurders/V&D).

Aus der Rechtsprechung geht zudem hervor, dass das Wissen des Gläubigers um die schlechte finanzielle Stellung des Schuldners oder dessen drohende Insolvenz allein im Allgemeinen nicht ausreicht, um den Gläubiger zur Zustimmung zu einem Vergleich zu zwingen. Es ist vielmehr am Schuldner, Tatsachen und Umstände vorzubringen und ggf. zu belegen, aus denen abgeleitet werden kann, dass der Gläubiger den Vergleich in aller Vernunft nicht hätte ablehnen dürfen.

Die aktuelle Regelung ist schwammig und verpflichtet Schuldner mehr oder weniger dazu, gerichtlich gegen Gläubiger vorzugehen, die einem Vergleich nicht zustimmen wollen. Ungewiss ist für Schuldner dann, ob und wie schnell ein Gläubigervergleich stattfinden kann. Aus diesen und weiteren Gründen wird in der Praxis schon länger für die Einführung einer besseren Regelung plädiert.

Der Gläubigervergleich unter dem WHOA
Bei Insolvenz, Zahlungsaufschub und der Anwendung eines gesetzlichen Schuldenbereinigungsplans ist es nach niederländischem Recht schon heute möglich, einen Zwangsvergleich anzubieten. Zwangsvergleich bedeutet, dass ein Gläubiger gegen seinen Willen an einen Vergleich gebunden werden kann. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass – je nach Insolvenzverfahren – ausreichend Gläubiger dem Vergleich zustimmen und dass diese Gläubiger einen bestimmen Anteil der Schuldenlast vertreten. Wird der Vergleich dann von einem Gericht gebilligt, ist der Vergleich auch für Gläubiger bindend, die gegen den Vergleich sind. Gläubiger, die sich gegen den Vergleich ausgesprochen haben, können dann nur noch die Zahlung des ihnen aufgrund des Zwangsvergleichs zustehenden Anteils am geschuldeten Betrag fordern.

Nach dem WHOA soll Schuldnern ebenfalls die Möglichkeit gegeben werden, einen Zwangsvergleich anzubieten, bevor es zur Insolvenz kommt. Auf diese Weise sollen Insolvenzen verhindert werden. Mit dem Gesetz soll also auch vermieden werden, dass einzelne Gläubiger das Zustandekommen eines Vergleichs blockieren können. Für Schuldner bedeutet das ein Mehr an Sicherheit, dass ein Gläubigervergleich zustande kommt. Darüber hinaus lässt das WHOA mehr Flexibilität beim Umgang mit den konkreten Umständen eines Falls zu und ermöglicht maßgeschneiderte Lösungen. So kann etwa der Vergleich nur einem Teil der Gläubiger angeboten werden, können anstelle von Geldzahlungen Unternehmensanteile zur Begleichung der Schuld angeboten werden und können Vereinbarungen getroffen werden, die sich auf die Zukunft beziehen.

Die Rechtspraxis plädiert daher für die Inkraftsetzung des WHOA, da dies in der nun drohenden, durch das Coronavirus verursachten Wirtschaftskrise sehr hilfreich wäre. Die niederländische Regierung hat ein entsprechendes Gesuch erhalten und den Gesetzesvorschlag der Liste der dringlichen Gesetzesvorschläge vom 27. März 2020 hinzugefügt. Das Gesuch zielt darauf, dass das WHOA zum 1. Juli 2020 in Kraft gesetzt wird. Ob dies gelingen wird, ist noch äußerst unklar.

Und jetzt?
Solange das WHOA nicht in Kraft ist, gilt für außergerichtliche Gläubigervergleiche weiterhin die Vertragsfreiheit. Stimmt ein Gläubiger dem Vergleich nicht zu, muss die Sache vor Gericht gehen, damit der betreffende Gläubiger an den Vergleich gebunden werden kann.

Forderungen, die auf die Mitwirkung an einem außergerichtlichen Vergleich zielen, müssen die Gerichte aufgrund des Prinzips der Vertragsfreiheit zurückhaltend prüfen. Nur unter sehr besonderen Umständen können Gläubiger gerichtlich verpflichtet werden, an der Umsetzung eines ihnen angebotenen Vergleichs mitzuwirken.

Dass ein Gläubiger einen Vergleich nicht ablehnen darf, lässt sich erfolgversprechend argumentieren, falls der Schuldner:

  • ein im Kern lebensnotwendiges Unternehmen betreibt,
  • der aktuelle Liquiditätsengpass unmittelbare Folge der Corona-Krise ist, und
  • der angebotene Vergleich (auch für den Gläubiger, der ihm nicht zustimmen will) die gegenüber einer Insolvenz die bessere Option ist.

Das bestehende Instrumentarium bietet folglich Möglichkeiten zum Erzwingen von Gläubigervergleichen. Wünschenswert wäre jedoch die Inkraftsetzung des WHOA, da Zwangsvergleiche für Schuldner mehr Sicherheit darüber brächten, ob und wie schnell ein Vergleich mit Gläubigern zustande kommt.

Weitere Informationen
Sie haben Fragen oder wünschen weitere Informationen? Dann wenden Sie sich an Lodewijk Hox oder einen der anderen Rechtsanwälte aus dem Team Insolvenz und Sanierung.

3. April 2020