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Das Huhn oder das Ei?  

Bei Mängeln während der Ausführungsphase oder nach Fertigstellung sind Auftraggeber schnell geneigt, mit dem Finger auf den Auftragnehmer zu zeigen. Die erste Reaktion der Auftragnehmer ist dann, sich zu verschanzen und eine Haftung abzuweisen. Der Entwurf wird (zu) wenig beachtet, auch weil Parteien oft einfach nicht mehr konstruktiv miteinander kommunizieren und das Problem bestenfalls „einseitig“ betrachtet wird.  
In einer aktuellen Entscheidung hat der Schiedsrat der Niederlande (Raad van Arbitrage) jedoch erneut die Bedeutung einer gründlichen, konstruktiven und grundsätzlichen Herangehensweise an Probleme betont.  

Entscheidung des Raad van Arbitrage

In der Sache ging es um ein Feuchtigkeitsproblem in der Fußboden­konstruktion. Zwischen dem zweischichtigen Aufbau von Unterboden und Estrich drang Wasser ein. Der Auftraggeber machte ohne Umschweife den Auftragnehmer haftbar, in erster Linie wegen einer von diesem zu vertretenden Leistungsstörung (Ausführungsfehler), hilfsweise, weil er seiner Warnpflicht nicht nachgekommen war. Der Auftragnehmer führte an, keinen Fehler gemacht zu haben, und zeigte mit dem Finger anklagend auf den Architekten. 

Die Hauptklage wird vom Schiedsrat abgewiesen, weil das Sachverständigen­gutachten nicht ergeben hat, dass der Auftragnehmer einen Fehler gemacht hat. Er hat den Entwurf in Übereinstimmung mit den geltenden Vorschriften ausgeführt.

Selbst in diesem Fall versäumt der Auftraggeber es häufig, sich die Arbeit des Architekten genauer anzusehen. Auch bei möglichen Entwurfsfehlern sind die Pfeile meist auf den Auftragnehmer gerichtet. Denn dieser sollte vor offensichtlichen Fehlern im Entwurf warnen; außerdem wird zu häufig von Haftungsbeschränkungen seitens des Architekten ausgegangen. Dies ist nicht immer die klügste Reaktion. 

Beurteilung Raad van Arbitrage

Der RvA ist der Auffassung, dass der Auftragnehmer hier in der Tat vor den Risiken des Entwurfs hätte warnen müssen. Dies hat er irrtümlich versäumt, so dass er dem Auftraggeber gegenüber haftet, jedoch nicht für den gesamten Schaden. 
 
Der RvA weist nämlich auch auf den Architekten hin, weil seiner Ansicht nach kein offensichtlicher Entwurfsfehler vorliegt. Mit anderen Worten: Der Fehler hätte nicht unbedingt vom Auftragnehmer erkannt werden müssen. Es liegt allerdings ein risikoträchtiger Entwurf vor. Dass der Architekt es dennoch versäumt hat, für diesen Teil Detailzeichnungen oder eine detaillierte Leistungsbeschreibung anzufertigen, ist ihm zuzurechnen. Es wird als unerheblich angesehen, dass der Auftragnehmer die Ausführungszeichnungen selbst anfertigen musste. Solche Zeichnungen beziehen sich nämlich nicht auf das Engineering van wasserdichten Details. Diese Verantwortung lag weiterhin beim Architekten, und aus diesem Grund wird er als mithaftend betrachtet.  

Auftraggeber und Auftragnehmer

Obwohl der Entwurfsaspekt von Baumängeln oft (zu) wenig beachtet wird, stellt sich wiederum heraus, dass dies stets ratsam ist. Dadurch wird festgelegt, welche Partei letztendlich für die Reparatur und den Ersatz des erlittenen Schadens verantwortlich ist. Der Auftraggeber und der Auftragnehmer sollten daher nach der Feststellung der Mängel den Entwurf genau unter die Lupe nehmen, gemeinsam oder gesondert. Vor allem, wenn (meist der Auftragnehmer begründen kann, dass) ein risikoträchtiger Entwurf vorliegt. 

Für weitere Informationen können Sie sich mit Steven Dassen in Verbindung setzen unter: 

+31 (0)88 304 01 47 / (0)6 53 76 75 79 

 

Juni 2021