Verfahren in den Niederlanden

Wir können Ihre Interessen vor dem niederländischem Gericht sowohl nach deutschem als nach niederländischem Recht vertreten, falls Ihnen eine niederländische Klage zugestellt wurde, oder falls Sie ein Verfahren vor dem niederländischen Gericht anhängig machen möchten.

Unten finden Sie eine Auflistung der verschiedenen Verfahren in den Niederlanden, Information über Gerichtstandbarkeit, Prozessvertretung, Kosten und Antworten auf andere Fragen. Wir sind Ihnen gerne behilflich.

Zuständigkeit

Die Niederlande haben ein übersichtliches Gerichtssystem. Bei einem Streitwert bis einschließlich EUR 25.000, Arbeits- und Mietsachen ist das Amtsgericht („Kantonrechter“) zuständig. Alle anderen Fälle, zum Beispiel Handelssachen, werden von der Zivilkammer der Gerichte („Rechtbank“) behandelt, von denen 11 im ganzen Land verteilt sind. Oberlandesgerichte („Gerechtshof“) gibt es 4 im ganzen Land.

Prozessvertretung

Wenn Sie eine Klage bei der „Rechtbank“ erheben, sind Sie verpflichtet, einen niederländischen Anwalt zu beauftragen. Für Verfahren beim „Kantonrechter“ besteht zwar kein Anwaltszwang, ein Anwalt sollte aber auch hier unbedingt in Erwägung gezogen werden. Vertane Chancen in erster Instanz wirken sich unmittelbar auf eine etwaige Berufung aus.

Kosten

In den Niederlanden arbeiten (Rechts-)anwälte nach einem festen Stundensatz, der von der Erfahrung des jeweiligen Anwaltes abhängig ist. Die (Rechts-)anwälte von Boels Zanders geben gerne im Voraus eine Einschätzung der Zeit, die ein Verfahren voraussichtlich in Anspruch nehmen wird.

Obwohl auch in den Niederlanden der Grundsatz gilt, dass die unterliegende Partei die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, bleibt die obsiegende Partei in der Praxis regelmäßig auf einem Teil der Kosten sitzen. Das liegt daran, dass die zu vergütenden Verfahrenskosten oft, aber nicht immer, durch das Gericht aus Pauschalbeträgen berechnet werden, die nicht den tatsächlichen Verfahrenskosten entsprechen.

Die Höhe der Gerichtsgebühren richtet sich nach dem Streitwert und der Frage, ob der Kläger oder der Beklagte eine juristische Person ist. Für das Jahr 2021 betragen die Gerichtsgebühren zum Beispiel. bei einem Streitwert unter EUR 100.000 für eine Privatperson EUR 952 und für eine juristische Person 2.076 EUR.

Die Ladungsgebühren durch einen niederländischen Gerichtsvollzieher betragen zurzeit EUR 98,52 EUR, zzgl. MwSt. (Stand 2021).

Hauptverfahren

  • Klage
    Ein Zivilverfahren in den Niederlanden beginnt mit der Zustellung einer Klageschrift („dagvaarding“) durch den Gerichtsvollzieher. Die Partei, die das Verfahren einleiten möchte, lässt von ihrem Anwalt einen solchen Schriftsatz aufstellen. Erst nach der Zustellung der Klageschrift wird das Gericht vom Kläger über den Fall informiert.
  • Klageerwiderung
    Der oder die Beklagte muss mit einem Klageerwiderung („conclusie van antwoord“) schriftlich auf die Klageschrift reagieren. Hierzu hat der Beklagter in der Regel sechs Wochen Zeit. Eine erste Fristverlängerung ist oft möglich. Wenn die Sache es erfordert, kann der Richter noch eine zweite schriftliche Runde anordnen, in der die Parteien eine Replik („conclusie van repliek“) und eine Duplik („conclusie van dupliek“) in das Verfahren einbringen. Eine zweite schriftliche Runde also.
  • Mündliche Verhandlung
    Anschließend findet in der Regel eine mündliche Verhandlung statt. Dieser Verhandlungstermin gibt dem Richter die Möglichkeit, den Parteien konkrete Fragen zu stellen und zu prüfen, ob ein Vergleich möglich ist. Nicht selten wird schon in diesem Stadium ein Vergleich geschlossen, der in einem Gerichtsprotokollfestgelegt wird.Wenn es nicht zu einer Einigung kommt, müssen Sie auf das Urteil („vonnis“) warten. Ähnlich wie in Deutschland kann ein Urteil oft ein halbes Jahr oder länger auf sich warten lassen.

Rechtsbehelfe

Gegen das Urteil eines Gerichts der ersten Instanz kann in der Regel binnen 3 Monaten nach der Verkündung Berufung („hoger beroep“) eingelegt werden. Das Berufungsgericht kann den Parteien erneut die Möglichkeit geben, Zeugen zu vernehmen oder einen Gutachter zu benennen. Gegen Berufungsurteile kann die Revision eingelegt werden. Dies kommt kaum vor.

Beweisverfahren ("voorlopig getuigenverhoor/deskundigenbericht")

Ein niederländischer Anwalt kann bereits vor Beginn eines Zivilverfahrens einen Antrag auf vorläufige Zeugenvernehmung („voorlopig getuigenverhoor“) oder ein vorläufiges Sachverständigengutachten stellen. Der Richter wird dann entscheiden, ob dem Antrag stattgegeben wird. In der Praxis wird der Antrag selten abgelehnt. Die Erkenntnisse aus einer vorläufigen Zeugenvernehmung oder einem vorläufigen Sachverständigengutachten können in einem späteren Hauptverfahren als Beweismittel dienen.

Eilverfahren("kort geding")

Das niederländische Eilverfahren („kort geding“) kann für eine große Anzahl von Arten von Streitigkeiten verwendet werden. Der große Vorteil eines solchen Eilverfahrens ist die kurze Vorlaufzeit. Meist findet bereits nach wenigen Wochen ein erster Sitzungstermin statt. Eine Zeugenvernehmung ist im Eilverfahren nicht möglich. Urteile werden in der Regel innerhalb von zwei Wochen nach der Verhandlung ausgesprochen.

Voraussetzung für die Einleitung eines „kort geding“ ist, dass die Sache aufgrund der Dringlichkeit eine umgehende Entscheidung des Richters erfordert, z.B. weil ansonsten ein nicht wiedergutzumachende Schaden droht. Das Eilverfahren ist nicht geeignet ein Feststellungs- oder Rechtsgestaltungsurteil zu erlangen. Es geht lediglich um das Erreichen einer einstweiligen Verfügung. Es ist möglich um die Berufung gegen das Urteil einzulegen.

Sicherungsarrest ("conservatoir beslag")

Wenn Sie eine Forderung gegen einen in den Niederlanden ansässigen Kunden haben, kann ein niederländischer Rechtsanwalt – nach Prüfung des Einzelfalls – innerhalb von nur wenigen Tagen bei Gericht ein Sicherungsarrest („conservatoir beslag“) für Sie bewirken. Die Folgen eines Sicherungsarrestes sind sehr weitreichend. Das gesamte Bankguthaben wird eingefroren und der Schuldner kann keine Zahlungen mehr leisten. Auch können Vermögensbestandteile (Immobilien, bewegliche Sachen oder Forderungen) gepfändet werden. Der Sicherungsarrest ist daher ein überaus geeignetes Druckmittel um offene Rechnungen beglichen zu bekommen.

Anerkennung und Vollstreckung

In Deutschland erlangte Urteile werden in den Niederlanden anerkannt und können ohne Weiteres durch einen niederländischen Gerichtsvollzieher vollstreckt werden. Dafür benötigt der Gerichtsvollzieher eine Reihe von Dokumenten:

  • Das deutsche Urteil
  • Eine Übersetzung ins Niederländische
  • Eine Bescheinigung gemäß Art. 53 Brüssel I-bis-Verordnung
  • Eine Übersetzung der Bescheinigung ins Niederländische

Für das weitere Vollstreckungsverfahren gilt niederländisches Recht. Umgekehrt können in den Niederlanden erlangte Urteile unter den gleichen Voraussetzungen in Deutschland vollstreckt werden.

Inkasso

Offene Forderungen bei niederländischen Kunden können auf verschiedenen Wegen eingetrieben werden.

Zunächst besteht die Möglichkeit ein europäisches Mahnverfahren einzuleiten. Im europäischen Mahnverfahren müssen eine Anzahl Formulare und Anträge ausgefüllt werden, die dem Gericht in Den Haag zugesendet werden müssen. Anschließend erlässt das Gericht einen europäischen Zahlungsbefehl. Der Schuldner muss dann innerhalb einer Frist von 30 Tagen gegen diesen Zahlungsbefehl Einspruch erheben. Tut er dies nicht, dann wird der Zahlungsbefehl für vollstreckbar erklärt und kann mithilfe eines niederländischen Gerichtsvollziehers vollstreckt werden. Im Falle eines Einspruchs wird die Sache vor dem zuständigen niederländischen Gericht verhandelt.

Wie hiervor ausgeführt, gibt es zudem die Möglichkeit des Sicherungsarrestes („conservatoir beslag“), bei dem Vermögenswerte Ihres niederländischen Schuldners eingefroren werden und somit oft eine schnellstmögliche Bezahlung erzielt werden kann.
Darüber hinaus gibt es noch die Möglichkeit ein Inkassoverfahren vor Gericht einzuleiten. Dabei handelt es sich um ein normales Gerichtsverfahren, in welchem das Anspruchsziel die Verurteilung des Schuldners zur Zahlung ist. Beachten Sie, dass dies ein reguläres Gerichtsverfahren ist. Ein Mahnverfahren, wie in Deutschland, kennen die Niederlande nicht. Eventuell könnte noch in einem Eilverfahren eine Vorauszahlung für die Zahlungsrückstände erhalten werden.

Als äußersten Mittel kann unter gewissen Voraussetzungen zudem vor Gericht einen Insolvenzantrag („faillissementsaanvraag“) gegen den Schuldner gestellt werden. Zu den Voraussetzungen zählt, dass der Schuldner mehrere Gläubiger unbezahlt lässt. Sofern der Schuldner bezahlen kann, wird er in der Regel alles tun, um eine Insolvenz zu vermeiden.

Schiedsgerichtsbarkeit in Baustreitigkeiten

Wenn Sie Partei eines Bauvertrags sind, auf den niederländisches Recht anwendbar ist, oder wenn Sie zumindest beabsichtigen, einen solchen Vertrag mit einer niederländischen Partei abzuschließen, sollten Sie wissen, dass es in den Niederlanden gängige Praxis ist, allgemeine Geschäftsbedingungen für anwendbar zu erklären (zum Beispiel: UAV 2012, UAV GC 2005, AVA 2013).

Infolge der Anwendbarkeit dieser Allgemeinen Geschäftsbedingungen werden Baustreitigkeiten zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer in der Ausführungsphase grundsätzlich nicht vor einem Zivilgericht, sondern durch ein Schiedsverfahren entschieden. Für solche Streitigkeiten ist das Schiedsgericht für das Baugewerbe zuständig. Die Verfahren, die bei dem Schiedsgericht für das Baugewerbe eingeleitet werden können, unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht von den Verfahren, die vor den Zivilgerichten eingeleitet werden können. Weitere Informationen über Verfahren vor dem Schiedsgericht für das Baugewerbe finden Sie auf der Website https://www.raadvanarbitrage.nl/. Wir beantworten auch gerne Ihre Fragen zu diesem Thema.

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